Eigentlich hat es lange gedauert, bis aus einer revolutionären Idee so etwas wie eine technologische Bewegung wurde. Immerhin gab es schon 1984 erste Gehversuche im 3D-Druck, und später wurde das Konzept gerne unter „rapid prototyping“ zusammengefasst, um rasch Teile entwickeln zu können. Doch erst in den letzten Jahren hat das Konzept an Fahrt aufgenommen. Und siehe da, es öffnen sich auch ganze neue Türen für Österreichs Unternehmen.
Was ist die Additive Fertigung?
Additive Fertigung ist die umfassende Bezeichnung für alle Verfahren, bei denen auf Basis von digitalen 3D-Konstruktionsdaten durch das schichtweise Ablagern von Material Bauteile erzeugt werden (z.B. 3D-Druck-Verfahren). Im Gegensatz zu „abtragenden“ Fertigungsmethoden, bei denen ein Werkstück aus einem festen Block herausgearbeitet wird, werden bei der additiven Fertigung die Bauteile aus den jeweiligen Materialen (Flüssigkeiten, Pulver, Pasten, etc.) schichtweise aufgebaut. Dies dient der schnellen und kostengünstigen Fertigung von Modellen, Mustern, Prototypen, Werkzeugen und Endprodukten.
„Additive Fertigung, vor allem 3D-Druck, bietet Österreich die Chance, sich im globalen Wettbewerb im Spitzenfeld zu positionieren“, kommentierte Dr. Sabine Herlitschka, Mitglied im Rat für Forschung und Technologieentwicklung, die jüngst präsentierte Analyse und Handlungsempfehlungen zur Hebung der Potenziale additiver Fertigung in Österreich. „Als eine innovative Schlüsseltechnologie sichern generative Fertigungsverfahren Wachstum und Arbeitsplätze in Europa“, ist Herlitschka überzeugt. Das hätten auch schon andere Wirtschaftsnationen erkannt – nicht zuletzt hatte sich der frühere US-Präsident Barack Obama sehr für diese Technologie interessiert. Er sprach ihr das Potenzial zu, ,die Art, wie Gegenstände produziert werden, zu revolutionieren‘.“ Aus diesem Grund ist additive Fertigung gerade auch für Österreich interessant. Wenngleich Herlitschka betonte, dass es dabei nicht um einen kompletten Ersatz der Massenproduktion ginge. Hier herrsche in der Öffentlichkeit, aber auch in den Medien ein mitunter diffuses Bild vor. Doch in der Herstellung von rasch benötigten Teilen, etwa in Produktionsstraßen, biete die additive Fertigung enormes Potenzial. „Allein zur Produktion eines einzelnen Chips sind an die 1500 Schritte erforderlich“, illustrierte die Infineon-Österreich-Chefin, „der 3D-Druck kann dabei helfen, teure Ausfälle zu vermeiden.“ Beispielsweise durch die Möglichkeit, Ersatzteile für Spezialmaschinen vor Ort auszudrucken. Doch auch in der Mode oder im Schmuckdesign erlaubt additive Fertigung die Herstellung individualisierter Einzelstücke zu Kosten ähnlich der Serienfertigung. In der Medizintechnik, etwa bei Prothesen oder Zahnspangen, helfe die additive Fertigung, selbst Häuser könnten heute schon aus dem 3D-Drucker produziert werden. „Der Treiber hinter diesen Entwicklungen ist ein hohes Interesse an Flexibilität, Geschwindigkeit und Industrialisierung“, stellte Herlitschka fest.
Welche Potenziale und Hindernisse gibt es?
Die Analyse mit ihren Handlungsempfehlungen ist das Ergebnis einer vom IFI, dem Institut für Innovationsmanagement der Johannes Kepler Universität Linz, im Auftrag des Rates FTE und der Wirtschaftskammer Oberösterreich durchgeführten Studie. Diese bietet eine empirisch fundierte Einschätzung der Potenziale von additiver Fertigung, aber auch der bestehenden Hindernisse. Auf Basis dieser Analyse wurden Handlungsempfehlungen für die unternehmerische Praxis und die Politik abgeleitet. Beantwortet wurden unter anderem folgende Fragen:
· Welche konkreten, bis 2025 tatsächlich realisierbaren Potenziale bietet additive Fertigung für den Wirtschaftsstandort Österreich?
· Welche relevanten technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hemmnisse stehen einer breiten Einführung additiver Fertigung in Bereichen, in denen ihr Einsatz attraktiv wäre, im Wege?
· Wie lassen sich diese Hemmnisse durch politisches/unternehmerisches Handeln abbauen? Wie sähen entsprechende politische Maßnahmen aus? Welche Rolle spielt additive Fertigung für das in der österreichischen Innovationspolitik forcierte Konzept Industrie 4.0?
Die von den Experten im Rahmen der Studie formulierten 10 Thesen für Politik und unternehmerische Praxis gehen dann auch auf diese Potenziale ein. So geht es vor allem um die Schaffung zusätzlichen Nutzens für die Kunden durch automatisierte Individualisierung und die Entwicklung neuer Produkte und Geschäftsmodelle. Das erfordert die Nutzung und den Ausbau bestehender Strukturen, vor allem im Forschungs- und Bildungsbereich, wo eine explizite Integration von additiver Fertigung Themen zielführend wäre. Dabei sollte auf die Vielfalt der Materialien ebenso eingegangen werden wie auf den Nachhaltigkeitsaspekt. Denn gerade additive Fertigung kann, richtig eingesetzt, stärker an unseren Bedürfnissen ausgerichtete Produkte ermöglichen – und auch einen zentralen Beitrag zur Erreichung wichtiger Umweltziele in der Produktion leisten.
So kann ein neues Ökosystem entstehen
In diesem Zusammenhang wies Prof. Dr. Matthias Fink vom IFI darauf hin, dass sich derzeit ein neues Ökosystem für diese Technologie entwickle. Wobei er konkretisierte, dass es nicht allein um den technologischen Aspekt ginge: „Wir werden weniger direkte Anlagen für die additive Fertigung in der Produktion sehen, aber dafür die Entstehung ganz neuer Dienstleistungssysteme rund um die additive Fertigung“, so der Experte. Es gehe darum, ein Angebot rund um den 3D-Druck zu etablieren, das skalierbar sei und den Anforderungen der Digitalisierung und Industrie 4.0 entspreche. „Es wird also künftig das individualisierte Einzelprodukt und die Massenfertigung nebeneinander geben“, ist Fink überzeugt. Dazu müsse man Geschäftsmodelle ganz neu denken – denn im Vergleich zu herkömmlichen Produktionsverfahren wie etwa Guss sei der 3D-Druck vom Zeitrahmen her nicht im Vorteil, denn Produktionsbetriebe seien bereits auf traditionelle Massenfertigungsverfahren optimiert worden und additive Fertigung stelle daher im Direktvergleich eine schlechte Alternative dar. Eine Stärke des 3D-Drucks ist aber unbestritten die enorme Flexibilität: Er kann auch „mehr“ als Materialien machen. Dazu zeigte Fink einen Würfel aus Stahl, der in Wabenform im 3D-Druck produziert wurde. Dieser weise die gleiche Festigkeit wie ein voller Würfel auf – sei aber um rund 30 Prozent leichter. So würden sich beispielsweise ganz neue Chancen im Flugzeugbau ergeben. Finks Rat an die österreichischen Unternehmen: „Denken Sie grundlegend über Ihre Produkte nach und brechen Sie Ihre bestehende Geschäftslogik auf bzw. ändern Sie diese!“ Und auch in der Gesellschaft müsse noch ein Umdenken stattfinden: „Es gibt noch keine realistische Wahrnehmung der Technologie. Es geht weiniger um Organe oder Waffen, die hergestellt werden sollen, sondern um Leichtbau.“