Lösungen für eine bessere Welt

Mai 9, 2023 | ###Verlagshomepage austriainnovativ.at news###, Forschung

Auf der MIT Europe Conference in der WKO in Wien präsentierten Forscher*innen völlig neue, billige Tests für Infektionskrankheiten, superporöse Materialien zur Speicherung von Wasser und Strom
oder günstige Häuser aus recyceltem Plastik.

Zur MIT Europe Conference 2023 unter dem Titel „A Changing World. How Technology Tackles Global Challenges”, die Ende März in der WKO in Wien abgehalten wurde, kamen heuer besonders spannende Forscher*innen. Sie präsentierten aus ihren Labors an der renommierten US-Universität Massachusetts Institute of Technology teils sensationelle technologische Entwicklungen. Und das nicht nur in den Vorträgen auf der Bühne, sondern auch in vertiefenden Sessions, die besonders zum Know-how-Transfer für Technologie-expert*innen und Unternehmer*innen gedacht waren. 

Nachhaltigkeit, Biochemie und Energie 
Im Fokus standen die Themen Nachhaltigkeit, Energie und Ernährung. John Fernandez, Professor of Building Technology, Department of Architecture, sprach etwa über „Building Technology“ und deren Aufgabe in Zeiten des Klimawandels. David Hardt, Professor and Director der Center for Science and Technology Policy, möchte gar das große Problem der Obdachlosigkeit lösen, von der weltweit Abermillionen Menschen betroffen sind. Seine Idee ist, auf Basis von recyceltem Plastik sehr günstige Häuser zu produzieren. Insbesondere dient das Plastik auch als sehr gut geeignetes Material für Fundamente. 
Mit Ariel Furst, eine 34-jährige Chemikerin, die eine eigene Laborgruppe mit 24 Mitarbeiter*innen am MIT Department of Chemical Engineering leitet, hat Austria Innovativ ein Gespräch geführt. Sie beschäftigt sich besonders mit der Biochemie von Mikroben. „Wir sehen Mikroben als winzig kleine chemische Fabriken, die es im Grunde ermöglichen, alles herzustellen, was Sie wollen“, so die Forscherin.

Programmierbare Mikroben
Furst will damit eine universelle, sehr kostengünstige Plattform zur Diagnose allmöglicher Krankheiten entwickeln. Dazu dienen Mikroben mit besonderen elektrischen Eigenschaften, die im Lake Oneida im Bundesstaat New York entdeckt wurden. Sie werden biotechnologisch bearbeitet und können mittels Genschere (Cas9) als rasche, sehr kostengünstige Home-Tests einsetzt werden. In Laborversuchen haben sie sich als Sensoren für HPV schon bewiesen. Künftig sollen nur münzgroße Home-Tests alle möglichen Krankheitserreger wie etwa Grippe- und Coronaviren hochpräzise und schnell detektieren können. Benötigt wird nur die DNA bzw. RNA einer Virusprobe, die auf einem Mem-branprotein der Mikroben eingeschleust wird. Die Mikroben dienen quasi als beliebig programmierbares Biogerüst, das künftig für viele weitere Aufgaben eingesetzt werden kann. Der erste HPV-Test wurde auf einer Blattgold-Elektrode aufgebracht. Wenn nun eine positive Probe auftrifft, ergänzt es diese Guide-RNA und gibt ein elektrochemisches Signal ab, das die Infektion anzeigt. 

Medizin für alle
Das Potenzial dieser neuen Methode ist riesig. Die Tests sollen nur 50 Cents kosten, sind rasch herstellbar und können einfach selbst angewandt werden. Damit können endlich auch Menschen in armen Regionen, die deutlich stärker von lebensbedrohlichen Infektionen wie etwa HPV oder HIV betroffen sind, eine entsprechende medizinische Vorsorge erhalten. Die ersten Tests sollen, dank Unterstützung des National Instituts of Health, der medizinischen Forschungsagentur der USA, schon in ein einem Jahr auf den Markt kommen. Die Forschung zum neuen medizinischen Diagnose-Test-System wurde ins gut geförderte NIH-Redox-Programm (Redox Biology Interest Group) aufgenommen.

Mikroben für die Umwelt
Die Mikroben sollen aber noch weit mehr ermöglichen. Etwa die Entwicklung von Antibiotika und mikrobiellen Brennstoffzellen. Besonders die Forschung im Umwelt- und Energiebereich wird aktuell in den USA sehr stark unterstützt. „Als wir mit den Mikroben angefangen hatten, lag der Anteil der Forschung auf ungefähr 90 Prozent Gesundheit. Nun liegt der Umweltanteil schon bei 70 Prozent“, so Furst. So werden die elektroaktiven Mikroben zum Aufspüren von Schadstoffen eingesetzt, während wiederum andere Mi-kroben Schadstoffe abbauen.
Sehr spannend ist auch eine weitere Entwicklung des Furst-Lab. Damit lebende Biotherapeutika auch wirklich an den Ort im menschlichen Körper gelangen, wo sie wirken sollen, wurde eine Schutzschicht für Mikroben entwickelt. Damit ist nicht nur der Einsatz viel effektiver, sondern die geschützten Biotherapeutika können auch bei weniger Kühlung gelagert und geliefert werden.
 

Mircea Dincă, Materialchemiker am MIT, in der Lounge der WKO mit Blick auf Wien.

DNA-Klettverschluss für Katalysatoren
Ein weiteres Projekt beschäftigt sich mit der Umwandlung von CO2 in wertvolle Produkte, wobei CO2 gelöst und mittels eines molekularen Katalysators CO gewonnen wird. Eine besondere Herausforderung war, wie ein niedermolekularer Katalysator punktgenau auf einer Elektrode platziert und auch noch kontrolliert werden kann. Dazu hat das Furst-Lab eine Art „programmierbaren molekularer Klettverschluss“ aus DNA entwickelt (mit Hilfe der Hybridisierung, also Bildung von Wasserstoffbrücken). „Die Verbindung ist stabil, aber wenn wir sie erhitzen, können wir den Sekundärstrang mit dem Katalysator darauf entfernen“, so Furst. Die Experimente zeigten eine hocheffiziente chemische Umwandlung von CO2 in CO. Zudem konnte der gebildete Produktmix gut gesteuert werden. Nun soll die Technik skaliert werden. Weiters will Furst nun einen Vorhersagealgorithmus entwickeln, den Forscher beim Entwurf elektrokatalytischer Systeme für unterschiedliche Anwendungen verwenden können. Und ihre weiteren Pläne? „Ich möchte möglichst viele unserer Technologien, die wir im Labor entwickeln, zu Prototypen entwickeln. Das große Ziel ist es aber, die Wissenschaft so zu nutzen, damit die Welt gerechter wird“, so Ariel Furst.

Superschwämme für Wasser und Energie
In einem anderen, sehr zukunftsrelevanten Bereich, forscht Mircea Dincă, Professor of Energy am MIT Department of Chemistry. Er beschäftigt sich mit speziellen Materialien, die Energie sammeln und speichern können. Dazu entwickelt der in Rumänien aufgewachsene Forscher, jüngst US-Bürger, neuartige metallorganische Gerüste, sogenannte MOFs, und hat deren elektronische Eigenschaften intensiv erforscht. Diese porösen Materialien bieten dank der Struktur sehr große Oberflächen. Schon länger wurden sie zur Gasspeicherung und -trennung eingesetzt. Das Dincă-Labor hat sich in den letzten fünf Jahren auf deren Entwicklung konzentriert. „Die innere Oberfläche eines Gramms dieses Materials kann ein ganzes Fußballfeld bedecken“, erklärt der Materialchemiker. Seinem Lab gelang es, die an sich isolierenden MOFs in elektrische Leiter umzuwandeln, die so etwa als eine neue Art von Superkondensator große Mengen Energie speichern können. Mit Lamborghini werden diese neuen Superkondensatoren gerade in den ersten E-Sportwagen getestet. Weiters ist Dincă Mitbegründer des Start-ups Trans-aera, das MOF-basierte Luftkühlgeräte herstellt. Klimaanlagen sind für rund 13 Prozent der weltweit erzeugten Primärenergie verantwortlich. Und bis 2050 sollen, auch wegen der Klimaerwärmung, weltweit 3,3 Milliarden neue Klimaanlagen hinzukommen. Durch die Vortrocknung der Luft mittels MOFs lässt sich viel Energie einsparen. „Wir wollen mit unserem System zumindest 50 Prozent Energie einsparen“, so Mircea Dincă im Austria-Innovativ-Gespräch. 

Wasser für die Welt
Das ursprüngliche Ziel des mehrfach ausgezeichneten Forschers war eigentlich, das Wasserversorgungsproblem der Welt zu lösen. Mit den MOFs und Sonnenenergie tagsüber lässt sich in trockenen Regionen sehr gut Süßwasser aus der Luft gewinnen. Für die Umsetzung konnte aber noch kein Partner gefunden werden. „Das Problem ist, dass reiche Länder schon Entsalzungsanlagen haben, die aber enorme Kapitalinvestition und viel Energie benötigen“, so Mircea Dincă, „die armen Ländern und Regionen können sich gar nichts leisten oder haben andere Systeme.“ Da die letzten Grundwasserreservoirs aber in vielen Länder austrocknen, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein. 
 

Autor: Alfred Bankhamer