© Foto: voestalpine AG
In Oberösterreich ist die Voestalpine AG mit einem Umsatz von 11,3 Mrd. Euro und knapp 49.000 Mitarbeiter*innen noch vor der BMW Motoren GmbH und der Lenzing AG die Nummer 1 im Industrieranking. Nach einem leichten Einbruch bei den F&E-Ausgaben im Krisenjahr 2020, will die Voest im aktuellen Geschäftsjahr nun 189 Mio. Euro in die Forschung investieren. Damit ist sie eines der forschungsintensivsten Unternehmen Österreichs, in dem rund 700 Personen in der F&E-Abteilung arbeiten. Laut Forschungschef Franz Androsch haben Forschung, Entwicklung und Innovation im Linzer Konzern die höchste Priorität. Denn als international relativ kleiner Stahlkonzern ist die Spezialisierung in Verbindung mit Technologie- und Qualitätsführerschaft entscheidend, um die Zukunft des österreichischen Standorts zu sichern. Viele innovative Unternehmen in Oberösterreich stehen vor einer ähnlichen Situation. Sie haben es als Nischenplayer, wie etwa die Lenzing Gruppe, Fronius, Rosenbauer und viele mehr, in ihrem Bereich an die weltweite Spitze gebracht. Und um hier mithalten zu können, muss viel geforscht werden, um den entscheidenden Schritt gegenüber der Konkurrenz voraus zu sein. Die Voestalpine arbeitet mit rund 100 nationalen und internationalen Partnern in Forschungsprojekten zusammen. Das beginnt bei kleinen regionalen Projekten, geht über große internationale Forschungskooperationen und reicht bis in den Bereich der Grundlagenforschung, etwa im Rahmen eines Christian Doppler Labors. Oft geht es in den Projekten um neue digitale und smarte Technologien. So wird etwa ein „intelligentes“ kaltgewalztes Stahlband entwickelt oder auch eine volldigitalisierte Weiche, die Wartungsbedarfe in Echtzeit an den Streckenbetreiber meldet. Innerbetrieblich geht es insbesondere um das Thema ressourcenschonende Produktion. Für Aufsehen sorgte das Projekt „H2FUTURE“, das eine schrittweise Dekarbonisierung der Stahlproduktion unter Einsatz von grünem Wasserstoff erreichen will. Die Voestalpine hat mit „greentec steel“ zudem einen Stufenplan erstellt, der vorsieht, bis 2030 die CO2-Emissionen um ein Drittel zu vermindern. Bis 2050 soll die Stahlproduktion gänzlich CO2-neutral sein.
Patente-Kaiser
Die Innovationskraft von Unternehmen und Regionen zeigt sich insbesondere auch bei den Patentanmeldungen. Im aktuellen Ranking des Österreichischen Patentamts schafften es die oberösterreichischen Unternehmen zwar nicht unter die Top 3, dafür ist Oberösterreich mit 638 Erfindungsanmeldungen im Bundesländer-Ranking an erster Stelle. „Oberösterreich ist mit 638 Erfindungen im vergangenen Jahr bereits zum 7. Mal in Folge der Patente-Kaiser im Bundesländer-Vergleich“, betont Oberösterreichs Wirtschafts- und Forschungs-Landesrat Markus Achleitner, „mit Innovation und Investitionen wird Oberösterreich gestärkt aus der Krise hervorgehen.“ Auch bei den Anmeldungen beim Europäischen Patentamt EPA konnten oberösterreichische Unternehmen im Jahr 2020 mit 519 Patenten einen Zuwachs von 8,6 Prozent erzielen.
Neue Forschungsstrategie
Letztes Jahr im Frühling, gerade zu Beginn der Corona-Epidemie, wurde die neue, auf zehn Jahre ausgerichtete Wirtschafts- und Forschungsstrategie „#upperVISION2030“ gestartet, die nun aber laufend nachgeschärft wird. Corona hat gelehrt, dass man bei Bedarf sehr rasch reagieren muss, um zumindest vorübergehend neue Prioritäten zu setzen. So wurden, um der von der Corona-Krise in Mitleidenschaft gezogene Wirtschaft Impulse zu geben, unter anderem 3,3 Mio. Euro für den Fördercall „Kreislaufwirtschaft“ zur Verfügung gestellt. Damit soll zugleich der technologische Vorsprung in diesem Bereich ausgebaut werden, um das Bundesland als Region für Responsible Technologies & Management zu positionieren.
Einen wahren Investitionsboom hat in Oberösterreich auch die Investitionsprämie des Bundes ausgelöst. Mit fast 60.000 Anträgen wurde knapp jeder 4. Antrag von einem Unternehmen aus Oberösterreich gestellt. Das Fördervolumen macht bis zu 1,5 Milliarden Euro aus. Damit sollen allein in Oberösterreich Investitionen in der Höhe von bis zu 16 Milliarden Euro ausgelöst werden, was nicht nur zusätzliche Wertschöpfung, sondern auch Arbeitsplätze schafft. Der Standort Oberösterreich profitierte übrigens im letzten Jahr auch von einer Zunahme von Betriebsansiedlungen und Betriebserweiterungen. Ein Trend, der sich heuer noch verstärkt hat. Es wird intensiv in die Zukunft investiert.
Im Zentrum der neuen Forschungsstrategie stehen die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Und hier geht es besonders um die digitale Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch um Zukunftstechnologien wie beispielsweise die nächste Mobilfunkgeneration 6G, wozu unter anderem am oberösterreichischen Standort der Silicon Austria Labs GmbH (SAL) intensiv im Rahmen des Upper Austrian Research (UAR) Innovation Network geforscht wird, zu dem insgesamt 17 anwendungsorientierte Forschungszentren zählen. Aber auch an der JKU wird an der neuen Mobilfunkgeneration, die besonders auch im Bereich des Internet der Dinge einiges verspricht, intensiv geforscht.
Human-Centered Artificial Intelligence
Oberösterreich soll bis zum Jahr 2030 zudem eine Modellregion für Human-Centered Artificial Intelligence werden. Hier soll nicht die Technik, sondern der Menschen klar im Mittelpunkt stehen. Das Software Competence Center Hagenberg (SCCH) aus dem UAR Innovation Network forscht in diesem Bereich gemeinsam mit einem internationalen Top-Konsortium an einem neuen „Mensch/KI-Teaming Framework“. Das Ziel ist ein praktischer „Bausteinkasten“ für eine optimale Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI.
Das außeruniversitäre Forschungsunternehmen PROFACTOR, an dem die UAR 49 Prozent und das AIT seit 2018 51 Prozent hält, ist wiederum besonders auf industrielle Assistenzsysteme sowie additive Fertigung spezialisiert. Eine der Lösungen nennt sich „Assembly Eye“. Sie dient dazu, bestehendes Prozesswissen ohne den Einsatz von invasiver Sensorik zu extrahieren. Dazu zeichnet eine Kamera Bewegungen, Abläufe sowie Interaktionen mit Werkzeugen, Bauteilen und Maschinen auf. Diese Daten ermöglichen es den Produktionssystemen, die Handlungsabfolgen verstehen und entsprechende Assistenzfunktionen in Echtzeit anbieten zu können.
Medizintechnik
in weiteres Projekt, das von PROFACTOR koordinierte EU-Projekt INKPLANT, beschäftigt sich mit der Herstellung von Knochenersatz für kieferchirurgische Eingriffe, dem Meniskusersatz oder auch mit Geweben zur Schließung einer Gaumenspalte. All dies soll künftig aus dem 3D-Drucker kommen. Dazu werden neuartige Biomaterialien zu resorbierbaren Implantaten verarbeitet. Die Medizintechnik-Branche umfasst in Oberösterreich mehr als 60 Unternehmen mit rund 7.000 Mitarbeiter*innen, die einen Umsatz von 2,6 Mrd. Euro pro Jahr erzielen und jährlich 200 Mill. Euro in F&E investieren. Der Medizintechnik-Cluster (MTC) Oberösterreich erhielt im Juni 2021 den nationalen Clusterpreis in der Kategorie „Forschung und Innovation“. Ein Leitprojekt von der vom Medizintechnik-Cluster koordinierten Initiative „MED UP – Medical Upper Austria“, die Wirtschaft, Forschung, Gesundheit und Bildung vereint, ist der hybride neurochirurgische Simulator MEDUSA. Er ermöglicht vielseitige, realistische Trainingsmöglichkeiten und mit ihm lassen sich künftig beispielsweise hochkomplizierte Operationen am Gehirn im Vorfeld simulieren.
Geforscht wird im Clusterland Oberösterreich in sehr vielen Bereichen wie etwa auch Kunststoffe, Mechatronik oder Mobilität. So ist zum Beispiel im Bereich autonomes Fahren noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit erforderlich, damit man sich auf Künstliche Intelligenz im Straßenverkehr verlassen kann. In Oberösterreich werden in der Testregion Digitrans deshalb gerade autonome Nutzfahrzeuge in realen Alltags- und Wettersituationen getestet. Denn autonome Systeme sind ein sehr wichtiger Technologietrend insbesondere für hochentwickelte Wirtschaftsregionen.