Geschichte: Im Dreivierteltakt

18.03.2025 | Forschung

Rund um den Wiener Walzer ­haben sich viele verdient gemacht – allen voran Johann Strauss Vater und Sohn. Letzterer wird heuer anlässlich seines 200. Geburtstags ­allseits geehrt. Der Name eines Mannes, der den heutigen ­Walzer-Tanzstil erfunden hat, wird allerdings nur selten genannt: Karl von Mirkowitsch.

Die Klänge von Donau-, Kaiser- und vielen, vielen anderen auch weniger bekannten Walzern sind einzigartig. Sie geben dem Jahresauftakt direkt aus dem Wiener Musikverein ebenso ein besonderes Gepräge wie den Bällen im feierlichen Ambiente der Wiener Hofburg oder Konzerten in aller Welt. National wie international beschwingt der Wiener Walzer und bringt die Füße Tanzfreudiger zum Vibrieren.
Dabei hat der Walzer per se eine lange Tradition. Schon im 12. Jahrhundert sollen im Alpenraum Vorformen des später zur Perfektion geführten Tanzes existiert haben. Damals war er ein „Drehtanz“ bzw. ein „Werbetanz“. Mit diesem warben, wie der Name schon sagt, die Männer um die Frauen. Wie im Volkstanz vielfach üblich, wurde zur Bewegung gesungen. Alles – noch – ganz sittlich, mit gebührendem Abstand.

Mit der Zeit sollte sich dies ändern und die Tänzer:innen kamen einander immer näher. Das wurde von Kirche und Obrigkeit gar nicht gerne gesehen. So erließ etwa der Rat der Stadt Nürnberg 1550 die Aufforderung, sich „bei allen Tänzen alles unzüchtigen Tanzens, dazu alles Herabschwingens und Verdrehens, desgleichen allein in Hosen und Wams ohne darüber angetan Kleid zu tanzen“ zu enthalten.
Dem Siegeszug des Walzers konnten derlei Anordnungen aber keinen Einhalt gebieten und ab dem späten 18. Jahrhundert wurde immer fleißiger und schneller gedreht und gewalzt. Als die Oper „Una Cosa rara“ des Italieners Vincenzo Martin 1787 in Wien aufgeführt wurde, war auch der Name „Walzer“ geboren; Carl Maria von Webers Walzerstück „Aufforderung zum Tanz“ in seiner Oper „Der Freischütz“ gilt als weiterer Entwicklungsschritt hin zum Wiener Walzer.

Von da an wurde fleißig im Dreivierteltakt getanzt – nicht umsonst hieß es in der Zeit des Wiener Kongresses 1814/15 „Der Kongress tanzt“ – und komponiert, mit Joseph Lanner und Johann Strauss Vater wurde die Hochblüte der flotten Musikstücke eingeleitet. Ob im Dommayer in Hietzing, im Volksgarten oder im Apollosaal – ganz Wien war im Walzerrausch. Johann Strauss Sohn und sein jüngerer Bruder Josef taten das Ihre dazu, dass die Erfolgsserie der Sträusse nicht so schnell abriss. Josef war nicht nur musikalisch, sondern auch technisch begabt und ging in die Geschichte als Komponist und Dirigent sowie als Ingenieur und Erfinder ein. Nach Studien am Wiener Polytechnikum, heute TU Wien, und an der k.k. Akademie der Bildenden Künste war Josef als Bauzeichner beim Stadtbaumeister Anton Übel tätig. Im Jahr 1853 reichte er die Entwürfe zweier Straßenreinigungsmaschinen ein – und kehrte doch zur Musik zurück.
Heuer feiert die Welt den 200. Geburtstag von Sohn Johann und rückt damit den Walzer in ein besonderes Licht. Das war Anfang des 20. Jahrhunderts anders, als nämlich Foxtrot, Jive, Charleston und auch der langsame English Waltz wesentlich angesagter waren und den Walzer vorübergehend von den internationalen Tanzflächen der Turniere verschwinden ließen. Und genau da betrat Karl von Mirkowitsch, der Erfinder der Wiener-Walzer-Choreografie, das Parkett der Geschichte.

Der k.u.k. Offizier ergriff nach dem Ende der Monarchie den Beruf eines Tanzlehrers in Graz, wo er die traditionsreiche Tanzschule seines Schwiegervaters Friedrich Karl Eichler übernahm und weiterführte. Im Zuge dessen kam er zur Auffassung, dass sich der als „Dreher“ getanzte Wiener Walzer nicht für den Tanzsport eignet. So machte er ca. 1930 aus der bis dahin üblichen Choreografie kurzerhand einen „Schwinger“ und erfand damit den bis heute üblichen Wiener-Walzer-Stil, den er später gemeinsam mit dem Nürnberger Paul Krebs weiterentwickelte.
1932 wurde der Wiener Walzer ins Turnierprogramm aufgenommen. Im Jahr 1967 fand schließlich die erste Wiener-Walzer-Konkurrenz statt. Bis heute hat der Walzer einen fixen Platz am Tanzparkett (u. a. auch in der noch existierenden Grazer Tanzschule Eichler) – und das ist nicht nur das Verdienst der Sträusse und anderer Komponisten, sondern eben auch von Karl von Mirkowitsch.

  • Offizier in der k.u.k. Armee
  • Nachdem er nach dem Ersten Weltkrieg aus der Armee entlassen worden war, heiratete er die 1878 in Graz geborene Ida Eichler.
  • Die Familie Eichler war bereits seit 1796 als fahrende Tanzlehrer tätig, Eduard Georg Eichler gründete 1835 die erste Tanzschule in Graz.
  • 1919 übernahm Mirkowitsch die Tanzschule seines Schwiegervaters Friedrich Karl Eichler in der Grazer Bürgergasse.
  • Offiziere galten als für den Beruf des Tanzlehrers prädestiniert, die sie in Sachen der Etikette bewandert waren.
  • Ca. 1930 erfand Mirkowitsch die heute übliche Wiener-Walzer-Choreografie. Somit kommt diese Form des Wiener Walzers eigentlich aus Graz.
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