Excel statt ERP

19.05.2017 | Wirtschaft

Laut einer Studie der TU-Wien fehlt jedem zweiten Unternehmen eine Digitalisierungsstrategie, gerade bei KMU kommt oft Excel statt ERP-Systemen als Planungstool zum Einsatz. Fazit: Österreichs Lieferketten sind noch nicht bereit für Industrie 4.0.

Wie weit sind Österreichs produzierende Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Prozesskette? Dieser Frage ging ein Team der TU Wien in seiner Studie "Supply Chain 4.0" auf den Grund. Die Ergebnisse der Umfrage, die von Farhang Akhavei und Gernot Pöchgraber (beide TU Wien) durchgeführt wurde, lieferten 40 namhafte Industrieunternehmen. Diese erwirtschaften zusammen einen Jahresumsatz von rund 50 Milliarden Euro und haben in Summe über 275.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Präsentiert und diskutiert wurden die Ergebnisse im Rahmen des Executive-Formats "Chefsache Industrie 4.0" im Technologiezentrum aspern IQ in Wien. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass es vielen Betrieben an einer Sache noch besonders fehlt: dem Masterplan für Digitalisierung.
"Obwohl durchschnittlich 86 Prozent der befragten Unternehmen ihre IT-Budgets erhöht haben, hat nur etwa die Hälfte davon einen konkreten Digitalisierungsplan. Das heißt, dass viele Unternehmen scheinbar planlos in ihre IT investieren", fasst Friedrich Bleicher, Institutsvorstand an der TU Wien für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik, die Ergebnisse der Studie zusammen. Daraus kann man schließen, dass im Prinzip jedem zweiten Betrieb eine gesamtheitliche Digitalisierungsstrategie fehlt. Ein weiteres Hauptproblem ortet Bleicher außerdem in der mangelnden Bereitschaft, vor allem Prozess- und Maschinendaten mit anliefernden Unternehmen zu teilen. Diese Daten stellen jedoch eine Grundlage für Ansätze wie Predictive Analytics und somit einer optimalen Lieferkette dar. Besonders KMU – welche in der Praxis oftmals als Zulieferbetriebe für Großunternehmen agieren – nutzen industrielle Informationssysteme (wie etwa ERP) nur kaum oder ineffektiv: Trotz der Tatsache, dass derartige Programme schon seit 20 bis 30 Jahren existieren, verwenden beispielsweise aktuell noch 40 Prozent der an der Studie teilnehmenden Unternehmen Microsoft Excel für ihre Absatzplanung. Insgesamt orten die Studienleiter dementsprechend einen relativ großen Aufholbedarf in Sachen gezieltem Investment in IT-Infrastruktur sowie Integration der Lieferanten in die Prozessketten.
"Obwohl das Bewusstsein für die Relevanz einer digitalen Lieferkette bei der Mehrheit der Unternehmen durchaus vorhanden ist, wurde es bis dato offenbar versäumt, die richtigen Maßnahmen dafür zu setzen. Aktuell sind vor allem viele Zulieferbetriebe noch nicht bereit für die Vision Industrie 4.0 beziehungsweise der digitalen Transformation", analysiert Rudolf Melzer, Initiator der Eventreihe, die Resultate der Studie, an der namhafte Industriebetriebe wie Magna, VOEST, Palfinger oder Bossard teilnahmen.

Bis zu 40 Prozent Kostenersparnis

Welches Sparpotential eine funktionierende Lieferkette mit sich bringen kann, präsentierte Urs Güttinger, Leiter für Smart Factory Logistics der Schweizer Bossard Gruppe, an einem anschaulichen Praxisfall. "Fast 85 Prozent der Kosten, die eine Schraube beim Besteller verursacht, lassen sich logistischen Prozessen zurechnen. Diesen gehen wir nach eingehender Prozessanalyse beim Kunden mit unseren intelligenten Systemlösungen an den Kragen", erklärt Güttinger. Einen Teil dieser Lösungen stellt das Smart-Bin-Flex-System des weltweit agierenden Verbindungstechnik-Konzerns dar. Der Smart Bin, ein mit einer Waage verbundener Kleinteilbehälter, löst bei Unterschreitung eines angegebenen Füllgewichts vollautomatisch einen Bestellvorgang aus. Sobald die Lieferung beim Kunden eintrifft und der entsprechende Behälter befüllt ist, sendet dieser den Abschluss des Bestellvorganges zurück an Bossard. Überwacht kann der ganze Prozess zudem mittels App werden; Lieferzeitpunkt inklusive.Bild: Melzer PR

vlnr: Rudolf Melzer, Initiator der Eventreihe \”Chefsache Industrie 4.0\”, Kai von Buddenbrock, General Manager bei Bossard Austria, Friedrich Bleicher, Institutsvorstand an der TU Wien für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik, sowie Bernd Bugelnig, CEO für Capgemini in Österreich.
Bild: Melzer PR

"Beim vorgestellten Fall konnten wir durch die komplette Übernahme und Automatisierung des C-Teile-Managements die Zahl der manuellen Bestellvorgänge von 1600 auf 0 senken. Die damit verbundenen Rechnungen wurden auf 12 Monatsrechnungen minimiert, um nur zwei Vorteile für den Kunden zu nennen", rundet Kai von Buddenbrock, General Manager bei Bossard Austria, die Ausführungen ab.

Erkennen von Megatrends entscheidend

Beide Vorträge wurden bei einer abschließenden Führung durch die Pilotfabrik der TU Wien, welche ebenfalls im Technologiezentrum aspern IQ untergebracht ist, weiterführend diskutiert. Den Anstoß gab Josef Kranawetter, Geschäftsführer von Weidmüller Österreich, mit der Feststellung, dass Datenschutz und -sicherheit auch beim Supply Chain Management kein zu vernachlässigendes Thema sei. Ergänzt wurden sein Beitrag von Palfinger-Vorstand Martin Zehnder, der sich besonders auf den Datenaustausch mit anderen Unternehmen in der Supply Chain bezog: "Bei der Wichtigkeit und dem Wert, den Daten mittlerweile haben, ist es durchaus verständlich, wenn Unternehmen einen besonders sorgsamen Umgang mit diesen pflegen, besonders mit Blick auf die eher überschaubaren Einsparungsmöglichkeiten im Produktionsbereich. Was jedoch auch in Zukunft über den Fortbestand oder Untergang eines jeden Unternehmens entscheiden wird, ist das Erkennen von Megatrends."
 

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