Biotechnologie als Wegbereiterin für eine nachhaltige Zukunft

17.04.2025 | Forschung

Ein Gespräch mit Prof. J. Christopher Love (MIT) über die Rolle moderner Bioproduktion in Gesundheit, Ernährung und Industrie.

Prof. J. Christopher Love, renommierter Chemieingenieur am MIT und Mitglied des Koch Institute for Integrative Cancer Research, spricht im Interview über das transformative Potenzial biotechnologischer Verfahren – von kultiviertem Fleisch über neue Arzneimittel bis hin zu globalen Lieferketten. Als Pionier in der Entwicklung effizienter, flexibler Produktionssysteme gibt er Einblicke in Chancen, Herausforderungen und ethische Fragen rund um eine der prägendsten Technologien unserer Zeit. Prof. Love war auch Teilnehmer der MIT Conference in Wien.

Wie wirkt sich die Biotechnologie auf unsere Ernährung aus?

Die Biotechnologie birgt das Potenzial, widerstandsfähige, ressourceneffiziente Verfahren zur Herstellung von Nahrungsbestandteilen und Lebensmitteln zu ermöglichen, von Proteinen bis hin zu verbesserten Ernteerträgen, und so die konventionelle Landwirtschaft im Hinblick auf Ernährungssicherheit und Nachhaltigkeit zu ergänzen.

Welche neuen Lebensmittelinnovationen sind dadurch möglich?

Es gibt viele Unternehmen, die neue Innovationen wie biologisch erzeugte Proteine oder Lipide erforschen, die zur Stabilität der Lieferkette und zur Verringerung der Umweltbelastung beitragen und gleichzeitig den globalen Ernährungsbedarf decken könnten.

Wie kann die Biotechnologie zur Senkung des Energieverbrauchs beitragen?

Biologische Verfahren können die Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Energiequellen verringern und die Kohlenstoffemissionen im Vergleich zu herkömmlichen Herstellungs- und Anbaumethoden im großen Maßstab um bis zu 90 % senken. Innovationen wie die kontinuierliche Produktion führen zu einer weiteren Senkung des Energieverbrauchs durch rationalisierte, automatisierte Abläufe und kleinere Anlagen, die weniger Energie für die Instandhaltung benötigen.

Welche biotechnologischen Fortschritte könnten die Behandlung von Krankheiten revolutionieren?

Gentherapien, gentechnisch veränderte Proteine, mRNA (Boten-RNS) und Zelltherapien sind allesamt Beispiele für neue Arten von Medikamenten, mit denen wir Krankheiten vorbeugen und behandeln können. Für jedes dieser Arzneimittel gibt es Beispiele, die in den USA und Europa bereits zugelassen sind, und viele weitere befinden sich in der Entwicklung.

Um welche Krankheiten könnte es sich dabei handeln?

Mit diesen Technologien werden bereits Krankheiten wie Krebs, genetische Störungen und Autoimmunkrankheiten sowie seltene Krankheiten und Infektionskrankheiten behandelt.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Umsetzung biotechnologischer Lösungen in der Medizin und in der Lebensmittelindustrie?

Angesichts der Komplexität der Arbeit mit lebenden Zellen und biologischen Systemen sind die Vergrößerung (oder Verkleinerung) der Produktionskapazitäten, die Einhaltung von Vorschriften und die Gewährleistung der Erschwinglichkeit große Hürden. Neue Entwicklungen in der Bioproduktion sind entscheidend, um diese innovativen Produkte vom Labor auf den Markt zu bringen.


Wie sieht die Zukunft der Biotechnologie in den kommenden Jahren aus?

Wir werden eine stärkere Integration von KI-gesteuertem Design, modularen „All-in-One“-Produktionssystemen und verteilten Produktionskapazitäten sehen, die sowohl die Entdeckung als auch den Markteintritt von Biotech-Produkten beschleunigen und agile, flexible Lieferketten ermöglichen.

Welche ethischen Bedenken gibt es im Zusammenhang mit biotechnologischen Innovationen?

Die Sicherstellung der Erschwinglichkeit und Verfügbarkeit lebensrettender Therapien und Güter, die Vermeidung unbeabsichtigter ökologischer Auswirkungen und die Aufrechterhaltung strenger Qualitäts- und Sicherheitsstandards – all dies erfordert globale Zusammenarbeit und Rücksichtnahme, während diese Technologien reifen.

Welche Rolle spielt das MIT bei der Weiterentwicklung von biotechnologischen Verfahren?

Viele unserer Dozent:innen haben in den letzten Jahrzehnten zu den Entwicklungen in der Wissenschaft der Bioproduktion und der Umsetzung in der Biotechnologie beigetragen. Wir haben die Möglichkeit, die Entwicklung von Fortschritten für eine nachhaltige, vorhersagbare und flexible Bioproduktion fortzusetzen, vom biologischen Design und Engineering bis hin zu Prozesstechnologien und prädiktiver Modellierung.

Gibt es bereits konkrete Anwendungen, die sich auf unser tägliches Leben auswirken?

Ja. mRNA-Impfstoffe, Therapien auf der Grundlage von Antikörpern und andere biologische Arzneimittel sind heute wesentliche Bestandteile der Gesundheitsversorgung in Nordamerika und Europa und werden auch in anderen Teilen der Welt zunehmend verfügbar. Kultiviertes Fleisch, nahrhafte Lebensmittelzutaten und neue Materialien für die Mode, wie Leder auf Pilzbasis, sind Beispiele für biotechnologische Produkte, die allmählich auch in anderen Sektoren auf den Markt kommen.

Wie unterscheidet sich die Biotechnologieforschung in den USA von der in anderen Ländern?

Die USA haben mit ihrer Mischung aus privatem Risikokapital, öffentlicher Finanzierung und Forschungsinstituten ein einzigartiges Umfeld für die Innovation von Biotechnologieprodukten geschaffen. Die USA sind durch ihre Produktionskapazitäten und -fähigkeiten weiterhin eng mit dem Rest der Welt verbunden.

Welche Rolle spielt die synthetische Biologie bei der künftigen Entwicklung von Medikamenten?

Die Ingenieurbiologie trägt dazu bei, dass biologische Systeme für die Herstellung von Produkten genutzt werden können, die wir für viele verschiedene Zwecke benötigen. Zum Beispiel können wir jetzt Hefe ähnlich wie bei der Herstellung von Bier oder Wein bearbeiten, um sichere neue biologische Arzneimittel oder Lebensmittelzutaten herzustellen. Die Fähigkeit, die Biologie zu „programmieren“, wird die Herstellung von Medikamenten von heute und morgen erleichtern.

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